Reizdarm und Long-Covid.

In den letzten Monaten wird vermehrt über die mögliche Beziehung zwischen den Erkrankungen Reizdarmsyndrom und Long-Covid diskutiert. Long-Covid bezieht sich auf anhaltende Symptome, die bei manchen Menschen nach einer Covid-19-Infektion auftreten. Die genaue Beziehung zwischen beiden Krankheitsbildern ist noch unklar, aber es gibt diverse Hinweise darauf, dass es eine Verbindung geben könnte.

Ein Reizdarmsyndrom ist eine Erkrankung des Darms, die sich durch chronische Bauchschmerzen, Durchfall oder Verstopfung, Blähungen und andere Symptome äußert. Die Ursache des Reizdarmsyndroms ist nicht ganz klar, aber es wird angenommen, dass mehrere Faktoren dazu beitragen, einschließlich Stress, Ernährung und eine gestörte Darmflora. Es handelt sich beim Reizdarmsyndrom um eine Ausschlussdiagnose, die gestellt wird, wenn die Beschwerden in den letzten zwei Monaten an mindestens vier Tagen auftraten. Und solange im Darm keine organischen Schäden festgestellt werden, die zu einem anderen medizinischen Krankheitsbild passen heißt das diffuse Beschwerdebild Reizdarmsyndrom. Es gehen der Diagnose also diverse Voruntersuchungen voraus bei denen die GastroenterologInnen nichts anderes finden können. Auch die Darmspiegelungen bleiben meist ohne Befund.

Eine Stuhlprobe kann in diesem Fall oft mehr Aufschluss geben. Je mehr Einzelheiten aus der Forschung bekannt werden, desto deutlicher wird, dass der Reizdarm – zumindest in Teilen – auf das Fehlen von Bakterien und auf eine Störung des komplexen Ökosystems, dass ein gesundes Mikrobiom ist, zurückgeht. Besonders wichtig ist bei einer Stuhlprobe auch, die Verdauungsrückstände zu untersuchen. So kann man sehen, ob Fette oder Kohlenhydrate nicht gut verdaut werden und in den Dickdarm gelangen, wo sie Blähungen verursachen. Finden sich solche Verdauungsrückstände, dann ist dies ein erster Anhaltspunkt um weiter zu suchen, bzw. auch schon durch therapeutische Maßnahmen zu intervenieren. 

Übrigens war schon vor der Corona-Pandemie war Reizdarmsyndrom die beim Gastroenterologen am häufigsten gestellte Diagnose. Jetzt ist durch Long-Covid noch ein weiterer Faktor hinzugekommen.  Long-Covid-Symptome können bekanntlich sehr vielfältig sein. Häufig umfassen sie Müdigkeit, Kurzatmigkeit, Muskelschmerzen und -schwäche, Kopfschmerzen, Konzentrations- und Gedächtnisprobleme, Schlafstörungen, Hautausschläge und Schwindel. Diverse Menschen mit Long-Covid berichten jedoch auch über Verdauungsprobleme wie Durchfall, Verstopfung und Bauchschmerzen.

Eine Studie, die im April 2021 im American Journal of Gastroenterology veröffentlicht wurde, untersuchte die Beziehung zwischen COVID-19 und Verdauungsproblemen. Die Forscher stellten fest, dass fast ein Drittel der Patienten mit COVID-19  Verdauungsprobleme wie Durchfall, Erbrechen oder Bauchschmerzen hatten. Die Autoren der Studie vermuten, dass Verdauungsprobleme während einer Covid-19-Erkrankung als Warnzeichen für eine schwerere Erkrankung dienen könnten.

Eine andere Studie, die im September 2021 im Journal of Clinical Medicine veröffentlicht wurde, untersuchte die Häufigkeit von Reizdarm-Symptomen bei PatientInnen mit Long-Covid. Ergebnis: Fast die Hälfte der PatientInnen mit Long-Covid klagten über Reizdarm-öhnliche Symptome. 

Es gibt auch Hinweise darauf, dass bei vielen von Long-Covid betroffenen Menschen Stress und Angstzustände auftreten. Der Zusammenhang von Seele und Körper spielt bei nahezu allen Erkrankungen eine gewisse Rolle –  und kann dazu beitragen, Reizdarm-Symptome zu verschlimmern. Eine Studie, die im Oktober 2020 im Journal of Gastroenterology and Hepatology veröffentlicht wurde, untersuchte die Auswirkungen von Stress auf Patienten mit Reizdarmsyndrom. Die Forscher stellten fest, dass Stress die Reizdarm-Symptome verschlimmern kann und auch, dass Stress-Reduktion die Symptome zu lindern vermag.

Insgesamt gibt es vermehrt Hinweise darauf, dass es eine Beziehung zwischen Reizdarmsyndrom und Long-Covid gibt. Man nimmt an, dass Reizdarm-Symptome bei Long-Covid-Patienten auf eine gestörte Darmflora und entzündliche Veränderungen im Darm zurückzuführen sind, die durch die Covid-19-Infektion verursacht wurden. Zudem ist wahrscheinlich, dass Stress und Angstzustände, die bei Long-Covid-Patienten häufig auftreten, die Reizdarmploblematik weiter verstärken können.

Es ist natürlich wichtig zu beachten, dass die genaue Beziehung zwischen Reizdarm und Long-Covid noch nicht vollständig verstanden ist und weitere Forschung erforderlich ist, um diese zu klären. Entsprechend ist auch bislang unklar, ob die Reizdarm-Symptome bei Long-Covid-Patienten vorübergehend sind oder ob sie langfristige Auswirkungen haben werden.

Auch vor Corona gab es nicht die eine Ursache, die den Reizdarm allein zu erklären vermag. Es sind aber mittlerweile einige Faktoren bekannt, die das Syndrom begünstigen. Und das macht Hoffnung, denn dadurch haben wir Ansätze für eine Therapie. Das gleiche gilt für Long-Covid, auch wenn die Forschung hier noch weiter am Anfang steht. 

Wer an Reizdarm-Symptomen leidet (ob in Zusammenhang mit Long-Covid oder allein), sollte eine*n TherapeutIn aufsuchen, die einen angemessenen Behandlungsplan empfehlen kann. Eine gesunde Ernährung, regelmäßige körperliche Aktivität und Stressmanagement können alle dazu beitragen, Reizdarm-Symptome zu reduzieren, doch es gibt darüber hinaus weitere therapeutische Optionen. 

Im Praxis Kollektiv setzen wir uns bereits lange therapeutisch mit dem Reizdarmsyndrom auseinander – sowohl aus funktionell medizinischer als auch aus osteopathischer Sicht. Gleichzeitig arbeitet unser Osteopath Ferdinand Löffler gerade an einer Studie, die das Thema Long-Covid vor dem Hintergrund osteopathischer Behandlungen untersucht. Wir stehen im konstanten Austausch miteinander und mit KollegInnen anderer Fachrichtungen und versuchen die Zusammenhänge besser zu verstehen. 

Falls Sie eine osteopathische oder funktionell medizinische Einschätzung Ihrer Symptomatik möchten, sprechen Sie uns gern an!

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