Schmerzen verstehen. Eine Buchzusammenfassung.

 
 

Der folgende Text soll das Buch „Schmerzen verstehen“ von den Autoren David Butler und Lorimer Moseley zusammenfassen. Für eine detailliertere, umfassendere und illustrierte Erklärung der Schmerzphysiologie ist das Buch sehr zu empfehlen. Außerdem gehen die Autoren auf Lösungsstrategien und Therapieverfahren für Schmerzerkrankungen ein.

In dem Buch Schmerzen verstehen von Butler und Moesely, soll Menschen geholfen werden, die Schmerzphysiologie im Körper zu verstehen und somit besser mit Schmerzen umgehen zu können.
Das Phänomen Schmerz ist ein von unserem Körper verwendeter Schutzmechanismus um uns vor oder in bedrohlichen Situationen zu schützen und uns somit vor Verletzung zu bewahren. Ca. 20 % aller Menschen der Erde haben Schmerzen die schon länger als 3 Monate andauern. In diesem Fall wird von chronischen Schmerzen gesprochen. Diese Schmerzen sind häufig multifaktoriell beding und werden in den vielen Fällen nicht mehr von der auslösenden Gewebeverletzung verursacht. Sie können auftreten, obwohl die Verletzung schon verheilt ist, da die Heilung in der Regel relativ schnell verläuft. Schmerzen können stärker wahrgenommen werden, wenn sie bedrohlich für die Person sind, wie wenn sie mit existenziellen Sorgen einhergehen z.B. bei einem Berufsunfall. Auch die Vorprägung der Person kann sich auf die Schmerzwahrnehmung auswirken, z.B. können beschnittene Jungen bei einer Impfung ein intensiveres Schmerzempfinden haben.

Gefahrensignal und Schmerzwahrnehmung

Schmerz wird vom Gehirn als Reaktion auf ein Gefahrensignal produziert. Das Gehirn erhält sensorische Informationen aus dem Gewebe und dem gesamten Körper, welche es dann nach der möglichst wahrscheinlichsten Situation interpretieren muss. Auch aus diesem Grund arbeitet das Schmerzsystem eng mit unseren anderen Sicherheitsvorrichtungen wie dem visuellen, auditiven, olfaktorischen und gustatorischen System zusammen, um Gefahren erkennen und voraussehen zu können. Diese Informationen aus dem Gewebe werden über Nervenfasern (Neurone) in dessen Wände Sensoren, die auf thermische, chemische und mechanische Reize im Gewebe reagieren, zum Gehirn geleitet. Diese Sensoren liegen auch in den spezialisierten Gefahrenneuronen, die ihr Gefahr Signal über Rückenmark an das Gehirn senden, sobald der Reiz im Gewebe ausreichend stark ist, also eine potenzielle Gefahr für das Gewebe darstellt. Dieser Reiz (Aktionspotenzial) wird ausgelöst, indem positiv geladenen Teilchen durch die Sensoren ins Innere der Nervenzelle gelangen und sie erregen, also Spannung aufbauen, bis es zur kurzfristigen Entladung (Aktionspotenzial) kommt. Ist das Erregungsniveau schon kurz vor der Reizschwelle, kann ein kleiner Reiz wie Temperaturveränderung oder Bewegung ausreichen, um das (Gefahren)Signal auszulösen, worauf das Gehirn Schmerz interpretiert. Da die Sensoren nach ein paar Tagen ersetzt und die Empfindlichkeit sowie die Geschwindigkeit der Sensoren Produktion neu kalibriert werden kann, ist es möglich, dass die Schmerzempfindlichkeit sich verändert. Damit die Information im Gehirn ankommt, muss es im Rückenmark über eine Synapse auf ein zweites Neuron umgeschaltet werden. Dort kann es auch zur Unterdrückung des Gefahrensignals kommen, wobei mithilfe einer Nervenbahn, die aus dem Gehirn zur Synapse läuft, Serotonin und Opiate ausgeschüttet und die aufsteigenden Gefahrensignale gehemmt werden. Dies kann zum Beispiel in einer Stresssituation sehr nützlich sein, um die Gefahrensignale (Schmerzen) zu unterdrücken, um eine Flucht zu ermöglichen.

Gewebeverletzungen

Findet eine Verletzung von Gewebe statt kommt es zuallererst zu Entzündungsprozessen vor Ort, woraufhin Immun und Bauzellen einwandern, um Reparaturarbeiten vorzunehmen. Zusätzlich sind auch die Blutversorgung und Gewebeanforderungen wichtig für den Heilungsprozess. Vorerst kommt es dann zur Narbenbildung, worauf hin dann versucht wird das Gewebe möglichst Originalgetreu nachzubauen. Schmerzen treten bei einer Verletzung auf, um dich vor einer Verschlimmerung zu bewahren und den Heilungsprozess nicht zu stören, dir quasi signalisieren soll Vorsichtig zu sein. Somit sind Schmerzen häufig ein guter Leitfaden, nach dem du dich richten kannst, um dein Verhalten dem Heilungsprozess möglichst zuträglich anzupassen. Somit sollte mit der Heilung des Gewebes auch der Schmerz nachlassen und verschwinden.

Muskeln sind mit vielen Sensoren ausgestattet und können somit erheblich zur Schmerzerfahrung beitragen, zum Beispiel, auch wenn sie zu wenig beansprucht werden. Sind sie jedoch regelmäßig in Benutzung und werden somit gut durchblutet, heilen sie schnell.

Bandscheiben und umliegendes Gewebe sind stark innerviert, also dicht mit Gefahrensensoren versorgt. Der Grund dafür ist die anatomische Nähe zum Rückenmark, welches natürlich überlebenswichtig ist. Jedoch müssen z.B. degenerative Vorgänge an der Wirbelsäule keine Schmerzen verursachen, denn ca. 30% aller Menschen ohne Schmerzen zeigen Vorwölbungen der Bandscheiben. Es kann gesagt werden das, dass gesamte Stützsystem der Wirbelsäule sehr stabil ist da es viele Druck und Zugkräfte trägt.

Hinterwurzelganglien liegen rechts und links  hinten auf der Höhe jedes Wirbelsegmentes  an den Zwischenwirbelkanälen in der Wirbelsäule. Dort kann es durch Entzündung, Blut und arthritische Vorgänge zu Einengungen und Reizung kommen, was Schmerzen verursachen kann. Jedes sensorische Neuron hat im Hinterwurzelganglion seinen Nervenkern, wo Sensoren produziert werden, weshalb Veränderungen am Hinterwurzelganglion  den restlichen Verlauf des Nerven beeinflussen können.

Peripheren Nerven sind Neurone, die schon außerhalb des Wirbelkanals und Gehirns liegen. Dort kann es durch Beschädigung oder Stress (Grippale Infekte, emotionaler Stress, Schlafstörungen) zum vermehrten Einbau von Sensoren in der Nervenmembran kommen und Schmerzsignale ausgelöst werden, also die Sensibilität erhöht wird. Die Nerven ziehen wie Spagetti durch den Körper und gleiten bei Bewegung. Diese Gleitfähigkeit kann durch Adhäsionen eingeschränkt werden und Schmerzen auslösen. Auch kann es durch eine Verletzung im Verlauf des Nervens dazu führen, das Signale zum Gehirn und zum Rezeptorenende gesendet werden, wo dann Chemikalien ausgeschüttet werden und eine Entzündung im Gewebe verursachen, obwohl dort keine Gewebeverletzung stattgefunden hat. Symptome können bei Nervenverletzungen in eine großer Bandbreite auftreten wie z.B. Ameisenlaufen, brennender kalter Schmerz, Juckreiz, Gefühl von Fäden ziehen oder kaltes Wasser, das über die Haut läuft. Sie können auch Nachts in Händen und Füßen auftreten oder in Hautarealen, die durch den Nerv versorgt werden. Besonders schlimm kann der Schmerz in Körperpositionen sein, bei dem der Druck auf den Nerv erhöht wird, auch spontan einschießend oder lang anhaltende Schmerzen sind möglich. Auch die Haut gleitet bei Bewegung und Narben können diese Gleitfähigkeit einschränken. Außerdem bildet sie eine wichtige Schutzbarriere.

Gelenkprobleme werden häufig als knirschend und nagend wahrgenommen, weil das Gehirn ankommende Reize aus dem Gelenk so interpretiert. Bewegung und Druck sind wichtig für die Gelenkgesundheit. Knochenbrüche heilen in der Regel in 6 Wochen aus und sind danach häufiger stabiler als davor.

Das Gehirn

Ist plastisch und die Gehirnareale wachsen je nach Beanspruchung, wodurch das Gehirn empfindlicher reagieren kann. Auch bei Schmerzen kann es dazu kommen, dass sich die zuständigen Areale vermehrt ausbilden und Schmerzknotenpunkte gebildet werden, die das sogenannte Schmerzgedächtnis formen. Wodurch das Gehirn sensibler wird und das Schmerzgefühl permanent produziert und somit chronischen Schmerzen verursachen kann.

Anzeichen für Sensibilisierung des Gehirns und Rückenmarks sind…

  • schmerzen halten unabhängig von Gewebeheilung an

  • der Schmerz wandert und weitet sich aus

  • der Schmerz verschlimmert sich (Gefahrenmeldungen werden schneller und häufiger an das Gehirn gesendet)

  • viele Bewegungen tun weh (Sensibilität der Gefahrensensoren im Gewebe nimmt zu z.B durch Entzündungen)

  • Schmerzen können unberechenbar sein und verzögert (Stunden bis Tage) nach Belastung auftreten, oder bei Belastung wegbleiben und in Ruhe einsetzen.

  • Schmerzen haben mehr mit Gedanken und Gefühlen zu tun und können sich je nach Gemütslage verbessern oder verschlimmern

  • Erinnerung an emotionale oder physische Traumata in der Vergangenheit, können das Gehirn für Bedrohungen sensibilisiert haben, weshalb es Schmerzen produziert um sie zu schützen

Reaktionssysteme

Adrenalin und Noradrenalin werden von dem sympathischen Nervensystem als Botenstoffe eingesetzt, um in akuten Stresssituationen angemessen reagieren zu können und das Überleben zu sichern. Sie werden über die Nebenniere in das Blut sekretiert oder über das Nervensystem ins Gewebe ausgeschüttet. Dieser Vorgang wird als Antwort auf sensorische Signale aus dem Gewebe und Sinnesorganen sowie psychoemotionalen Auslösern vom Gehirn gesteuert. Anzeichen für deren Wirkung sind z.B. Pupillenerweiterung und Blutdruckerhöhung. Man spricht auf von Kampf oder Flucht System.Es ist häufig, dass bei chronischen Schmerzen und Stress die Adrenalinausschüttung erhöht ist, was dann zu einer Sensibilisierung des Alarmsystems führen kann und noch weiter provoziert, was sich auf den Schmerz auswirken kann.

Adrenalin und Kortisol arbeiten zusammen, da Kortisol ein Hormon ist und über das Blut transportiert wird, wirkt es langsamer als Adrenalin. Um in einer Gefahrensituation zu schützen, wird Kortisol in der Nebenniere ausgeschüttet. Dafür werden erstmal nicht überlebenswichtige Körperfunktionen wie die Fortpflanzung, also z.B. Spermienproduktion und Eisprung, Verdauung und Heilung unterdrückt, um auf die Situation möglichst angemessen reagieren zu können. Dieser Stressmodus des Körpers kann auch über längere Zeit anhalten was dann zu schlechteren Heilungsprozessen, Gedächtnisverlust, Depression, Libidoverlust und Verschlechterung der körperlichen Leistungsfähigkeit führen kann. Die Produktion von Kortisol verläuft schwankend über den Tag verteilt. Morgens steigt es am höchsten und nimmt zu Mittag ab bis es am frühen Abend den niedrigsten Punkt erreicht hat. Somit haben Menschen mit chronischen Entzündungen am Abend die meisten Schmerzen.

Das parasympathische Nervensystem arbeitet in gewisser Weise antagonistisch zum sympathischen und sorgt für Ruhe, Verdauung, Schlaf, Regeneration und ist somit wichtig für Reparaturprozesse im Körper. Deshalb ist es wichtig dieses System zu fördern und arbeiten zu lassen z.B. mit Meditation und Atemübungen.

Das Immunsystem ist dafür zuständig auf sie aufzupassen, z.B. gegen Krankheitserreger, Gewebeverletzungen oder auch psychische Leiden. Für diese Aufgabe werden sogenannte Zytokine eingesetzt, die Entzündungen (Heilungsprozesse) fördern und unterbinden.

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Ein Hoch auf die Care-Arbeit und die, die sie leisten. Osteopathie zum Muttertag.

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Die Synergie zwischen Osteopathie, dem autonomen Nervensystem und der Herzratenvariabilität